Meine Freundin Lotte (German Edition) by Anne Stern

Autor:Anne Stern [Stern, Anne]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2021-07-31T22:00:00+00:00

15

Traute

Gestern war ein guter Abend mit Lotte, der erste, seitdem ich hier in Kalmar angekommen bin, glaube ich. Die dumme Geschichte mit dem Hundchen, mit Madeleine, haben wir beide seit ein paar Tagen nicht mehr erwähnt.

Ich habe angeboten, etwas zu kochen, obwohl das nicht meine Stärke ist – aber was ist schon meine Stärke, außer das Stillsitzen, wie Lotte immer betont hat? –, und sie war einverstanden. Zu zweit tranken wir eine ganze Flasche Wein aus, und das machte alles einfacher. Wir kicherten wie zwei Schulmädchen über irgendetwas, das Ernst gesagt hatte, als er aus Stockholm telefonierte. Er hat manchmal eine zu drollige Art, zu sprechen, er bringt immer Sprichwörter durcheinander, sagt Da liegt der Hund im Pfeffer! oder Sie ist mir hochhaus überlegen, als kombiniere sein Hirn im entscheidenden Moment die Worte verkehrt miteinander.

Mit Lotte kann man herrlich tratschen, wenn man nicht selbst die Zielscheibe ihres bissigen Humors ist, und so verlief der Abend vergnüglich. Bevor ich so betrunken war, dass es brenzlig geworden wäre, weil ich mit irgendetwas hätte herausplatzen können, sagte ich gute Nacht und ließ sie am dunklen Tisch zurück. Stieg in meine Kammer unter das Dach und lauschte benommen dem Wind, während sich die Balken über meinem Kopf zu drehen schienen.

Dennoch habe ich heute Morgen keinen schweren Kopf und liege nun schon seit einer Weile wach im Bett, behaglich auf ein dickes Kissen gestützt, während Lotte unten im Haus rumpelt und räumt wie ein Poltergeist.

Wir sprachen, nach mehreren Gläsern Wein, auch über unser erstes Aktbild, in unserer seltsamen Art, ein Thema zu umkreisen, so wie ein Tier auf leisen Pfoten um den Milchtopf schleicht. Immer auf dem Sprung. Wir erinnerten uns daran, wie In meinem Atelier entstand, und lachten über die verbeulte Metallkiste, die es dafür brauchte. Dieses Gemälde wird für uns immer wie ein Spiegel sein, ein Spiegel, in dem wir uns beide betrachten und uns wirklich sehen. Und zwar nicht nur, weil es mit Hilfe eines Spiegels entstand wie so viele unserer Doppelporträts, sondern vor allem, weil es uns zeigt, wie wir waren, wie wir sein wollten, aber auch wie wir niemals mehr sein können.

Zum Glück ist es verkauft, seit langer Zeit, eine Entscheidung, die Lotte nicht leichtgefallen ist – auch wenn der Verkauf sie nicht in solche Verzweiflung gestürzt hat wie bei manchen anderen. Ich sage, zum Glück, weil ich nicht gern von Bildern meiner Nacktheit umgeben bin, nicht einmal meiner jugendlichen Nacktheit. Wer wird schon gern daran erinnert, dass er verfällt? Wie soll ich mich fühlen, wenn ich vor Augen habe, dass alles Malenswerte an mir verschwindet? Dass ich zu einer alten Krähe verwittere? Es ist schmerzlich, das kann niemand leugnen, ich am allerwenigsten. Vor allem da ich in meinem Leben eigentlich nur eine Aufgabe hatte, die es wert ist, erzählt zu werden, nämlich, Lottes Modell zu sein.

Manchmal denke ich, dass der Groll, den ich ihrem neuen Zuhause gegenüber hege, diesem Kalmar, daher rührt, dass dieses scheinbar endgültige Einrichten in der Provinz mir zeigt, wie alles dem Ende zustrebt. In Stockholm,

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